„Totenstille“ – was Sie über den „Tatort“ aus dem Saarland noch nicht wussten
In der Saarland-Reihe des „Tatorts“ wirft die Folge „Totenstille“ Fragen auf – und beantwortet nur einige davon. Der beliebte Fernsehkrimi kreist in dieser Episode um Gehörlose.
Tief taucht der Film in die Welt gehörloser Menschen ein und thematisiert einige Besonderheiten des Lebens mit Gehörlosigkeit. Aber haben die Darsteller ihre Gehörlosigkeit nur gespielt, oder hat das Team Schauspieler engagiert, die wirklich gehörlos sind? Auch die Universität für Gehörlose in den Vereinigten Staaten taucht im Film auf – gibt es sie wirklich und was hat es damit auf sich?
Lippenlesen – so kommt der Held auf die Spur des Mörders
Ben Lehner – gespielt von Benjamin Piwko (35) – kann im Film durch Lippenlesen erkennen, dass Georg Weilhammer im Laufe seines Telefonats preisgibt, dass er seine Frau gerade umgebracht hat und nun die Spuren verschleiern will. Kann das wirklich so passieren? Es ist sehr schwierig, aber durchaus möglich. Menschen mit Gehör sind daran gewöhnt, sich für die alltägliche Kommunikation auf ihre Ohren zu verlassen – Gehörlosen steht diese Möglichkeit nicht zur Verfügung. Hörende Personen können meist nicht Lippenlesen. Selbst wenn sie sich darauf konzentrieren, gelingt es ihnen selten. Gehörlose oder Menschen mit ausgeprägter Hörminderung hingegen können das Lippenlesen erlernen. Selbst aus relativ weiter Entfernung können sie also ablesen, was der betreffende Mensch gesagt hat. Problematisch ist allerdings, dass die deutsche Sprache nicht alle Lautfolgen, die Wörter ergeben, klar genug von einander trennt: Nur rund 15 Prozent aller Laute lassen sich eindeutig zuordnen. Viele Wörter bzw. Lautfolgen sind sich einfach zu ähnlich, z. B. Mutter und Butter.
Der Tatort: Rollen und Darsteller
Die gehörlose Tanzlehrerin Kassandra Feldhausen wurde nicht vom Team des Tatorts erfunden. Sie heißt zwar im wirklichen Leben Kassandra Wedel und lebt in München, aber sie ist tatsächlich gehörlos und ist als Tänzerin bekannt. Im Jahre 2008 schaffte sie es bis zur Europameisterin im Bereich Hip-Hop-Tanz. Sie kann tatsächlich die Rhythmen wahrnehmen – und zwar am besten ohne Hörgerät. Mit Hörgeräten kann sie den Rhythmus nicht mehr richtig fühlen. Wenn sie jedoch die Hörgeräte abnimmt, spürt sie die Musik und kann ihre Kunst des Tanzes darauf einstellen. Die wichtigsten Darsteller der Tatort-Folge „Totenstille“ sind ebenfalls gehörlos. Benjamin Piwko, im Film Ben Lehner, verlor sein Gehör im achten Monat seines Lebens durch eine Infektion mit Viren. Er ist Trainer für Kampfkunst und besitzt in Hamburg seine eigene Schule. Bens Freundin Ambra Reichert aus dem Tatort wird von der ebenfalls gehörlosen Jessica Jaska (19) verkörpert. Jaska ist Schülerin am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg in Essen. Dies ist die einzige Schule in der BRD, in der man in Gebärdensprache den Weg zum Abitur beschreiten kann.
Ein Cochlea-Implantat (CI) – was ist das eigentlich?
Ambra Reichert im Film trägt zeitweise ein CI, also ein sogenanntes Cochlea-Implantat. Dies verbessert ihr Hörvermögen. Unter einem Cochlea-Implantat versteht man Elektroden, die operativ in die Hörschnecke eingesetzt werden. Diese Elektroden regen den Hörnerv an. Darüber hinaus gibt es magnetische Spulen, die das Hörsignal übertragen. Dieser Eingriff erfordert ein eingehendes anschließendes Training. Nur so können die neu vernommenen Töne mit bekannten Hörmustern in Verbindung gebracht werden. Dieses Training kann man sich ähnlich wie das Lernen einer Fremdsprache vorstellen. Kinder benötigen rund 2 bis 3 Jahre, um auf diese Weise Sprache zu verstehen.
Ist die Universität für Gehörlose Realität oder Fiktion?
Ambra träumt von einem Studium an einer Universität für Gehörlose. Und es gibt sie wirklich, sie ist Realität – aber leider nicht in Deutschland. In den USA wurde die heutige Gallaudet Universität (Washington D. C.) 1857 als Schule für Gehörlose gegründet. 1986 wurde diese Schule in den Status einer Universität erhoben. Die Verwaltung der Universität ist weitgehend mit gehörlosen Personen bestückt.